Der erste Erhebungsdurchgang des Projektes hekuru fand von Oktober bis Dezember 2020 in zwei neunten Klassen an einer sich durch eine heterogene Schülerschaft auszeichnenden Gesamtschule in Nordrhein-Westfalen statt. Mit dem Projekt ließen sich die Schule und somit auch die entsprechenden Klassen auf einen Religionsunterricht ein, der sowohl Heterogenität als auch Kunst miteinander verbindet, um dadurch religiöses Lernen zu ermöglichen.

Das Projekt besteht insgesamt aus zwei Teilprojekten, die jeweils in der neunten Klasse durchgeführt wurden und unterschiedliche Ansätze verfolgen. Zum einen handelt es sich um einen rezeptionsästhetischen und zum anderen um einen produktionsästhetischen Ansatz. Während sich das erste rezeptionsästhetische Teilprojekt vor allem mit der Aneignung religiöser Lerninhalte durch die Betrachtung und die Deutung künstlerischer Werke in insgesamt acht Unterrichtsstunden beschäftigt, thematisiert das zweite produktionsästhetische Teilprojekt in insgesamt zehn Unterrichtsstunden vor allem die subjektive lebensweltliche Deutung der Schüler*innen von Leid, Tod und Auferstehung mittels der eigenständigen Anfertigung von künstlerischen Fotografien, welche ihre individuelle Positionierung zum Thema ausdrücken sollen. So entwickelten beide Teilprojekte einen eigenen Zugang zum Lerngegenstand Deutungen von Leid und Tod entwickeln. Die Unterrichtstunden wurden dabei in beiden Teilprojekten von einer dem Projektteam angehörigen Lehrkraft erteilt. In den Unterrichtsstunden ebenfalls anwesend waren jeweils zwei studentische Hilfskräfte des Projektteams, die sich vor allem mit der Dokumentation des Unterrichtes beschäftigten. Darüber hinaus wurden die einzelnen Unterrichtsstunden trotz der erschwerten Ausgangslage durch die COVID-19-Krise bezüglich der Methoden und der Sozialformen im Rahmen der Möglichkeiten abwechslungsreich gestaltet. Es wurde Wert auf eine angemessene Balance zwischen dem Lehrervortrag, dem Unterrichtsgespräch und den Erarbeitungsphasen gelegt.

Im ersten Teilprojekt beinhalteten die einzelnen Unterrichtsstunden sowohl aktuelle als auch historisch relevante Themen im Zusammenhang mit Religion. So bezog sich die erste Unterrichtsstunde mit dem Fokus Leid wahrnehmen beispielweise auf die gegenwärtige COVID-19-Krise. Anhand dargebotener Bildkarten sollten die Schüler*innen der neunten Klasse ihre Gedanken und Gefühle in Bezug auf die Krise beschreiben. Die siebte Unterrichtsstunde mit dem Fokus Wege der Hoffnung thematisierte hingegen eine Skulptur, die zum Weg der Hoffnung gehört, welcher an der ehemaligen Grenzanlage zwischen der DDR und der BRD entlangführt. Die Unterrichtsstunde rückte somit das historisch relevante Thema der Deutschen Teilung in den Fokus. Im gesamten Unterricht fand immer wieder eine an die individuellen Möglichkeiten der Schüler*innen angepasste differenzierte Erarbeitung statt, deren Ergebnisse durch das gemeinsame Unterrichtsgespräch mit der Lehrkraft für alle Schüler*innen zugänglich gemacht und gesichert wurden.

Die zu bearbeitenden individuellen Lernaufgaben bestanden dabei sowohl aus halboffenen als auch offenen Aufgabenformaten und waren so konzipiert, dass sie religiöses Wissen in einem sinnstiftenden Kontext vermittelten und zu mannigfachen Lernprodukten führen. So waren die Schüler*innen beispielweise in der letzten Unterrichtsstunde mit dem Fokus Reflexion der eigenen Perspektive auf Leid dazu angehalten, eines der eingeführten Bilder oder Kunstwerke auszuwählen, bei dem das Gefühl von Hoffnung in ihnen ausgelöst wurde, und diesbezüglich einen Brief mit einer entsprechenden Erläuterung an den oder die Künstler*in zu schreiben. In der dritten Stunde – mit dem Fokus Auferstehung als Sprungbrett –waren die Schüler*innen dazu eingeladen, sowohl in Partner*innen- als auch in Einzelarbeit die Haltung der Christusfigur auf gezeigten Bildern von Kreuz und Auferstehung einzunehmen und ihre Gefühle diesbezüglich zu nennen und zu beschreiben.

Die in den Unterrichtsstunden fokussierte Auswahl von Bildern und Kunstwerken versuchte dabei, die Thematik des Kreuzweges mit der Lebenswelt der Schüler*innen zu vernetzen. So wurden unter anderem Bilder aus dem Kreuzweg des Künstlers Pablo Holger Hirndorf für den Unterricht ausgewählt. Die Bilder enthalten zum Teil moderne und aktuelle Elemente, an die die Schüler*innen vor dem Hintergrund der augenblicklichen Situation anknüpfen konnten. Auch Bilder aus dem Kreuzweg von Ben Willikens wurden in die Unterrichtsstunden integriert. Die sich durch ihre klare Komposition und Farbgebung auszeichnenden Bilder ermöglichten den Schüler*innen durch die Darstellung der Auferstehung eine Hoffnungsperspektive für das von ihnen erfahrene Leid. Medial waren die jeweiligen Unterrichtsstunden abwechslungsreich gestaltet. So kamen neben dem Lernmedium Kunst auch andere analoge sowie digitale Medien, wie Fotos und YouTube-Clips zum Einsatz.

Im zweiten Teilprojekt beinhalteten die einzelnen Unterrichtsstunden ebenfalls sowohl aktuelle als auch lebensweltlich relevante Themen vor dem Hintergrund von Kreuz und Auferstehung, die reflexiv thematisiert wurden. Ausgehend von dem Werk „Jesus bricht auf seinem Kreuzweg zusammen“ von Pablo Hirndorf (2015) wurden die Schüler*innen in der ersten Unterrichtsstunde angeregt, in ihrer Lebenswelt Orte von Leid wahrzunehmen. Dabei wurde in den folgenden Unterrichtstunden sowohl das Werk von Pablo Hirndorf wiederholt aufgegriffen als auch erste Ansätze im Umgang mit Leid erarbeitet. Zur Mitte der Unterrichtsreihe wurden die Schüler*innen durch eine kreative Auseinandersetzung mit der christlichen Vorstellung von Kreuz und Auferstehung dazu herausgefordert, in Grundzügen von Auferstehung eigene Deutungen zu entwickeln. Durch einen performativen Zugang wurde im weiteren Verlauf der Unterrichtsreihe die Interpretation von Auferstehung der Schüler*innen vertieft, um die künftige Darstellung ihrer eigenen Hoffnungsbotschaft in den künstlerischen Fotografien einzuüben und ihr Darstellungs- und Deutungsspektrum durch eine gemeinsame reflexive Auseinandersetzung zu erweitern.

In den letzten Unterrichtsstunden wurden an individuell von den Schüler*innen ausgewählten regionalen Orten des Leids eigenständig und mithilfe gegenseitiger Unterstützung künstlerische Fotografieprojekte angefertigt. Zudem entwickelten die Schüler*innen eigene Titel für ihre Kunstwerke. Das Teilprojekt mündete in eine eigene konzipierte Ausstellung in der Schulaula und schloss mit einer gemeinsamen Präsentation der eigenen Fotografien im DIN A2-Format ab, indem die Schüler*innen ihre Werke und ihre Positionierung zur christlichen Auferstehungsbotschaft den Mitschüler*innen erläuterten.

In diesem Teilprojekt war die Unterrichtsreihe von einer individuell orientierenden Lernatmosphäre geprägt, in der sich die Schüler*innen mit ihren lebensweltlich-religiösen Perspektiven einbringen konnten. Die mediale und methodische Aufbereitung der Unterrichtsreihe sorgte für Abwechslung bezüglich der Zugänge und Lernformen, indem sowohl YouTube-Videos, Songs, Fotografien und Zeitungsartikel als auch künstlerische, performative Medien und Methoden zum Einsatz kamen.

Insgesamt ermöglichte das Projekt hekuru den Klassen in beiden Teilprojekten eine ausführliche und abwechslungsreiche Auseinandersetzung mit Religion und Kunst und vermittelte dadurch unterschiedliche christliche Deutungen von Leid, Tod und Auferstehung, sodass die Rückmeldungen der Schüler*innen durchaus positiv ausfielen.